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„Darf die Oma meines behinderten Kindes die Verhinderungspflege übernehmen?“

„Darf die Oma meines behinderten Kindes die Verhinderungspflege übernehmen?“

… solche und ähnliche Fragen höre ich immer wieder.

Und leider heißt es auch 8 Jahre nachdem ich diesen Artikel erstmals geschrieben habe immer noch: „Man hat mir gesagt, dass die stundenweise Verhinderungspflege NICHT von nahen Angehörigen übernommen werden kann.“. Das ist schlicht und ergreifend unrichtig. Was korrekt ist, das erfahrt ihr in diesem Blog-Artikel.

Tatsache ist: Pflegebedürftige Personen haben Anspruch auf Verhinderungspflege (oder offiziell: „Ersatzpflege“), wenn sie mindestens Pflegegrad 2 besitzen. Und damit haben natürlich die Eltern behinderter Kinder auch Anspruch auf diese Unterstützung. Wie hoch Euer Budget dafür ist, das hängt derzeit (2024) vom Alter Eures Kindes und vom Pflegegrad ab. (Mehr darüber in meinem aktuellen Artikel über die Grundlagen der derzeitigen Verhinderungspflege)

Was ihr wissen müsst: Die Verhinderungspflege kann JEDE Person leisten. Ihr könnt natürlich auch einen Dienst beauftragen – aber das ist nunmal teurer. Das heißt: Ihr könnt Nachbarn, Freunde, Bekannte bitten die Verhinderungspflege zu machen oder eben auch Verwandte. 

Nun gibt es eine Sonder-Regelung für enge Angehörige. Man geht nämlich davon aus, dass enge Angehörige ja sowieso moralisch verpflichtet sind zu helfen. Sie sollen also nicht mehr Geld durch die Verhinderungspflege bekommen können, als die Person, die sich als eigentliche Pflegeperson zur Verfügung stellt. Angeblich soll so „Gerechtigkeit“ unter den Verwandten von Pflegebedürftigen hergestellt werden und auch verhindert werden, dass enge Angehörige sich für Unterstützung bezahlen lassen, die sie eh aus moralischen Erwägungen leisten sollten. So hat mir das zumindest mal eine Dame vom Ministerium erklärt. Ganz genau weiß wohl niemand, was sich die Gesetzgebenden dabei wirklich gedacht haben. 

Wer sind aber nun „nahe Angehörige“

Nahe Angehörige sind Personen die in direkter Linie bis zum 2. Grad verwandt sind.
Also: 
Enkelkinder
Kinder
Eltern 
Großeltern
Geschwister

Dabei müssen Eltern behinderter Kinder immer daran denken vom Kind aus zu schauen. Schon die Urgroßeltern oder Tanten und Onkel des Kindes sind im 3. Grad verwandt – könnten also das ganze zur Verfügung stehende Budget nutzen. 

Wieviel Geld dürfen Verwandte bis zum 2. Grad aus der Verhinderungspflege bekommen? 

Das  hängt vom Pflegegrad ab. Nahe Angehörige können nur einen Teil des Gesamtbudgets für Verhinderungspflege erhalten. Bei Kindern und Jugendlichen bis 25 mit Pflegegrad 4 und 5 gilt schon 2024, dass sie das 2-fache des monatlichen Pflegegeldes im Jahr erhalten können. Bei Kindern mit PG 2 und 3 bleibt es bis 2025 noch dabei, dass hier das 1,5-fache des monatlichen Pflegegeldes als Anerkennung der Hilfe ausgezahlt werden kann. Konkret bedeutet das heute (Stand Dezember 2024)

PflegegradPflegegeld / Monat Budget für Nahe Angehörige
100 €
2332 €498 €
3573 €859,50 €
4765 €1.530 €
5947 €1.894 €

 Wichtig: 2025 wird das Pflegegeld um 4,5 % erhöht. Entsprechend müsst ihr dann den jeweils aktuellen Betrag mit 1,5 multiplizieren. Nachvollziehbar?

Das Geld in der rechten Spalte, darf also unter den nahen Angehörigen verteilt werden. Wenn die Oma und der große Bruder Geld bekommen sollen, dann dürfen sie ZUSAMMEN nicht mehr Geld erhalten als in der rechten Spalte steht.

Darüber hinaus darf die Oma (oder ein anderer naher Angehöriger) aber auch noch Aufwendungen geltend machen. Z.B. Fahrtkosten oder Verdienstausfall. Dafür könnt ihr die gefahrenen Kilometer, Fahrkarten oder Belege für den Verdienstausfall bei der Krankenkasse einreichen. So können die nahen Angehörigen zusätzliches Geld aus dem Budget für Verhinderungspflege erhalten.

Da ihr so viele Leute wie ihr wollt mit der VHP beauftragen könnt, ist es also durchaus möglich, dass die Oma eines Kindes mit PG 4 zum Beispiel 1000,-€ im Jahr erhält, der Bruder des Kindes noch 530 € bekommt, die Oma zudem Fahrtkosten in Höhe von 300 € einreicht und eine Nachbarin dann noch den Restbetrag des Budgets bekommt.

Aber wie hoch ist das Gesamt-Budget, dass mir zur Verfügung steht?

Für Pflegebedürftige ab 25 Jahren und Kinder mit Pflegegrad 2 oder 3 gilt bis zum 30.09.2025 noch: 
Pro Kalenderjahr hast Du ein Budget von 1612,-€ zur Verfügung. Wenn du die Kurzzeitpflege nicht oder nur teilweise nutzt, kannst Du 806,-€ auf die Verhinderungspflege übertragen und hast so 2418,-€ pro Jahr für die Verhinderungspflege zur Verfügung. 

Für Pflegebedürftige BIS zum 25. Geburtstag mit Pflegegrad 4 oder 5 gilt bereits seit dem 01.01.2024: 
Du kannst 3.386 € pro Jahr für Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege nutzen – wie Du willst. Das heißt jetzt „Gemeinsamer Jahresbetrag“ oder auch „Entlastungsbudget“. Das heißt: Du entscheidest wie viel Geld Du für VHP und wie viel Du für Kurzzeitpflege investieren möchtest. 

Fazit:
Die Unterstützung durch nahe Angehörige kann also sehr wohl vergütet werden solange man sich an die Rahmenbedingen hält.
In PG 2 und 3 haben ihr insgesamt 2418 € zur Verfügung von denen das Anderthalbfache des monatlichen Pflegegeldes an nahe Verwandte ausgezahlt werden darf. Der Rest muss an Nicht-Verwandte ausgezahlt werden oder für Aufwendungen der Verwandten (Reisekosten, Lohnersatz) geltend gemacht werden.
In PG 4 und 5 stehen Euch 3.386 € pro Jahr zur Verfügung von denen das ZWEIFACHE des monatlichen Pflegegeldes an nahe Verwandte ausgezahlt werden darf. Der Rest muss an Nicht-Verwandte ausgezahlt werden oder für Aufwendungen der Verwandten (Reisekosten, Lohnersatz) geltend gemacht werden.

Alles klar? Wenn ja: Ich freue mich!
Wenn nicht: Her mit Euren Fragen!

Eure
Marion Mahnke

PS. Hier erkläre ich Dir wie du Verhinderungspflege rückwirkend abrechnen kannst.
Hier erfährst du die Grundlagen zur Verhinderungspflege.
Hier beschreibe ich, warum Entlastung durch Verhinderungspflege für Pflegende Eltern notwendig ist
Hier erkläre ich warum eine Verhinderungspflege mehr ist als ein Babysitter
Und ob man die Verhinderungspflege versteuern muss und was eigentlich „Sittliche Pflicht“ ist erfahrt ihr hier

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4 Gedanken zu „„Darf die Oma meines behinderten Kindes die Verhinderungspflege übernehmen?“

  • Sabine

    Guten Abend meine 2 Enkel Kinder Haben Pflegegrad 2 ich kümmere mich 2 mal die Woche je 3 Std um die beiden ,wollten es über die Verhinderung s Pflege nach 13 Monaten laufen lassen da wir das nicht wussten ,wird das dann meiner Tochter von dem 316 Euro abgezogen?Danke für die Antwort

    Antwort
  • Liebe Marion,. ich lebe mit meiner Tochter und meinem autistischen Enkelkind, mit Tourette und ADHS, in einem Haushalt .Ich bin mit meiner Tochter gemeinsam als Pflegeperson für mein Enkelchen da und eingetragen. Kann ich trotzdem über die Verhinderungspflege, z. B. wenn meine Tochter Mal eine kleine Auszeit braucht oder Termine hat, eine Vergütung bekommen? Vielen Dank schonmal für Ihre Antwort. Leider haben wir überhaupt Niemanden, der Mal einspringen könnte. Liebe Grüße Steffi Ehrt 😊

    Antwort
  • Maria

    Hallo, und was ist wenn jetzt die eine Oma und später die andere Oma babysittet? Dürfen die beiden jeweils 1,5 fache in Anspruch nehmen oder müssen sie es sich „teilen“?
    Danke

    Antwort
    • Marion MahnkeAutor des Beitrages

      Soweit mir bekannt ist müssen sich beide diesen Betrag teilen. ABER beide Omas können zusätzlich Fahrkosten und/oder Verdienstausfall geltend machen. Diese Aufwendungen können ZUSÄTZLICH zum Anderhalbfachen des Pflegegeldes aus dem Verhinderungspflege-Budget abgerufen werden.

      Antwort

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