Verringert der Aufenthalt meines behinderten Kindes im Kindergarten meine Rentenabsprüche aus der Pflege?
Verringert der Aufenthalt meines behinderten Kindes im Kindergarten meine Rentenabsprüche aus der Pflege?
Kurz und Knapp: Nein. Der Aufenthalt im Kindergarten darf der Pflegeperson nicht von der ermittelten Pflegezeit abgezogen werden.
Worum geht es hier genau?
Neulich in einer Gruppe von Eltern behinderter Kinder: Ein Kind hatte einen Pflegegrad zugesprochen bekommen, die Mutter sollte als Pflegeperson eingetragen werden.
Die Frage war: Hat die Mutter als Pflegeperson künftig Anspruch auf Rentenpunkte?
Dies ist dann der Fall, wenn Pflegegrad 2-5 besteht, die Person weniger als 30 Wochenstunden erwerbstätig ist und die Pflegeperson mehr als 10 Stunden an mindestens 2 Tagen in der Woche pflegt.
Die Argumentation der Kasse lautete: Die Aufenthaltszeit im Kindergarten müsse von der Zeit der Mutter als Pflegeperson abgezogen werden. Somit bestünde kein Anspruch auf Renteneinzahlung.
Die Analyse
Sehen wir mal davon ab, dass es völlig absurd ist anzunehmen, dass nahezu alles an Pflege im Kindergarten erfolgt und die Mama um 14 Uhr ein fertig gepflegtes Kind nach Hause bekommt und nun in einen annähernd normalen Familienalltag startet.
Die Idee Kindergartenzeit auf die ermittelte Pflegezeit anzurechnen um den Anspruch der Pflegeperson auf soziale Absicherung zu nehmen entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage.
Vergleichen wir es einmal mit erwachsenen Pflegebedürftigen: Auch der Aufenthalt in der Tagespflege bei Erwachsenen führt nicht zur Reduktion der Rentenansprüche bei der Pflegeperson.
Entsprechend ist die Teilhabe am Kindergartenleben auch nicht als Pflegezeit zu rechnen, die von der Pflegezeit der Pflegeperson abgezogen werden kann.
Ein weiteres Argument besteht darin, dass die Pflegebedürftigkeit des Kindes sich u.a. in häufigen Arztbesuchen, einer erschwerten Körper- und Grundpflege, Mehraufwand an Wäsche und nachmittäglicher Betreuung, der Notwendigkeit von Therapien und spezieller Förderung und dem Kontrollieren und Geben von Medikamenten äußert.
Das sind alles Aufgaben, die im Schwerpunkt durch die häusliche Pflege und nicht durch die ausserhäusige Betreuung erfüllt werden.
Nicht zuletzt entbindet der Kindergarten nicht von der Einsatzbereitschaft der Pflegeperson. Das Kind wird im Allgemeinen nur betreut, wenn es gesund ist und am Gruppenleben teilnehmen kann. Die Pflegeperson muss also jederzeit alles stehen und liegen lassen können um das pflegebedürftige Kind abzuholen. Und das ist behinderungsbedingt durch Infekte, Erschöpfung, Anfälle, nicht-sozialkompatible Episoden – wie wir aus Erfahrung wissen – nur allzu oft der Fall.
Der Kindergarten ist also als Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und vor allem als Teilhabe an vorschulischer Bildung zu betrachten.
Die dort stattfindende Betreuung ist eher als Kinderbetreuung im alltäglichen Rahmen zu betrachten.
Der Pflegebedarf leitet sich ja vom Mehraufwand gegenüber dem Regelkind ab. Dieser Mehraufwand wird aber nur in sehr geringem Maße vom Kindergarten geleistet. Der Kindergarten deckt somit den Regelaufwand für ein Kind ab, also den Aufwand, den man auch hätte, wäre das Kind nicht behindert.
Das Wechseln von Windeln oder das Unterstützen beim Händewaschen ist eine Unterstützung, die nicht als Pflege im engeren Sinne betrachtet werden kann, sondern der normalen Begleitung von Kindern im Alltag entspricht.
Fazit
Es gibt nach meinem Kenntnisstand weder eine plausible Begründung, noch eine gesetzliche Grundlage die es der Kasse erlauben würden die Zeit im Kindergarten von dem Aufwand der Pflegeperson abzuziehen.
Tipp:
Falls die Kasse es dennoch versucht, legt unbedingt Widerspruch ein und erkundigt euch nach der gesetzlichen Grundlage dieses Ansinnens.
Rechtlicher Hinweis
Ich bin keine Juristin, sondern Pädagogin und Coach für Special-Needs-Parenting. Ich begleite Eltern behinderter Kinder vom Moment der Diagnose bis zu einem erfüllten Familienleben und unterstütze das persönliche Wachstum und die Belastbarkeit der Eltern.
Eine sorgfältige Recherche ist für mich daher selbstverständlich. Die von mir zusammengetragen Informationen und Argumente stellen jedoch keine rechtliche Beratung dar und sind entsprechend Bedarf zu überprüfen.
Über eventuelle notwendige Korrekturen, Ergänzungen, fachliche Hinweise und weiterführende Fragen in Kommentaren freue ich mich sehr.
Eure Marion