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KAIZEN ODER DER WEG DER KLEINEN SCHRITTE

Kaizen oder Der Weg der Kleinen Schritte

Wie man große Ziele durch kleine Veränderungen erreicht.

Gesunde Ernährung war unser Thema an jenem Abend in der Special-Needs-Online-Academy. Die Referentin Yvonne Dinger hatte über „Superfoods“ gesprochen und über die Verbesserung der Ernährung für Kinder und Eltern. Tolle Ideen, guter Rat, klasse Informationen. Super! Aber wie auch bei vielen meiner anderen Vorträge über Stressbewältigung, Ansprüche unserer Kinder oder Kommunikation bleibt am Ende eines tollen Seminars eine Frage offen: Wie kann ich diese vielen Anregungen und Ideen jetzt in die Tat umsetzen?

Ich persönlich bin ja ein Fan von Kaizen – als eine der effektivsten Methoden Dinge nachhaltig zum Besseren zu verändern.

Die Idee hinter Kaizen ist folgende: Eine „Innovation“ ist der Versuch ein hohes Ziel auf direktem Weg zu erreichen. Meistens ist der Anstieg daher steil und anstrengend, frustrierend und überfordernd. Die meisten geben deswegen auf. Beim Pfad des Kaizen, dem Weg der kleinen Schritte oder dem System der Etablierung von Mini-Gewohnheiten dagegen ist es, als ob man den Berggipfel in gemächlichen Kreisen oder Serpentinen ansteuert.

Der Weg ist länger – aber die Steigung kaum spürbar oder gut zu bewältigen. Es ist angenehm den Weg zu gehen, man hat tolle Aussichten – manchmal gute Begleitung. Man starrt nicht die ganze Zeit auf den Gipfel – das Ziel – sondern geht seinen Weg. Gemütlich, aber stetig.

Und so ist es auch mit der Verbesserung von Lebensbereichen: Viele kleine Optimierungen, viele kleine Schritte, bringen uns sicherer zum Ziel als die ganz große Anstrengung.

DIE MAGE DES ERSTEN SCHRITTS

Das wichtigste dabei ist aber der ERSTE Schritt. Der besteht daher darin EINE KLEINE erste Handlung in die gewünschte Richtung auszuführen.

Im Falle einer gesünderen Ernährung hieße das also: Sucht Euch EINE KLEINE Idee aus, die die Ernährung Eures Kindes oder Eure eigene Ernährung verbessern würde und macht einen ersten kleinen Schritt.

Ich z.B. werde mir nach dem Abend über Superfoods eine Tabelle aus dem Handout ausdrucken. Da kann man sehen welche heimischen Nahrungsmittel den exotischen Superfoods entsprechen. Den Ausdruck hänge ich mir in die Küche. Einfach um mehr vor Augen zu haben, welche Lebensmittel häufiger in unseren Speiseplan gehören.

Wichtig ist, dass der erste Schritt klein genug ist, dass man ihn wirklich tut. Tabelle finden und ausdrucken: Das klingt für mein Gehirn nicht nach großer Arbeit oder mühsamer Umstellung. Also sabotiert es mein Vorhaben nicht, indem es dieses auf den Schrottplatz der „Müsste-man-mal-machen-Ideen“ parkt.  

Wer die Idee gut findet beim Schneiden von Gemüse für die Kinder einfach eine Handvoll mehr Paprika, Gurke oder Apfel klein zu machen und für später in einem Marmeladenglasu im Kühlschrank zu parken, wird bei der Umsetzung vielleicht darüber stolpern, dass keine Gläser da sind, wenn man mal wieder zu viel Gemüse zur Hand hat.

Damit das nicht passiert, kann der allererste Schritt sein, passende Gläser auszuwaschen und neben eurem Schneidebrett zu positionieren. Damit ihr beim nächsten Gurken-Schneiden gleich daran denkt etwas mehr zu schneiden und zur Seite zu packen. Denn geht es nicht vielen von uns so, dass wir zwar für die Kinder Kochen oder fürs Essen schnippeln, aber allzu oft selbst keine Energie mehr haben für uns dann auch nochmal aufwändig zu kochen? Mit dem magischen „Marmeladen-Glas des Gemüse-Konfettis“ hab ich schon manches Mal abends noch einen bunten Salat oder eine Gemüsepfanne für mich gezaubert statt eine Dose zu öffnen oder eine Pizza in den Ofen zu schieben . 

Wer Haferflocken in seine Ernährung integrieren will kann als ersten kleinen Schritt die Haferflocken auf die Einkaufsliste setzen. Und wer sich vorgenommen hat „mal was ganz anderes“ auf den Speiseplan zu setzen trägt vielleicht einen Wochenmarktbesuch mit Kind während der Pfingstferien in den Kalender ein.

Wichtig ist also, dass man nicht bei dem diffusen Wunsch oder der Idee, dass man dieses oder jenes „mal“ angehen „könnte“ bleibt, sondern sofort (idealerweise innerhalb von 36 Stunden nach dem Entschluss) einen realen kleinen Schritt macht.

Und wenn es nur das Finden eines Termins, das Ausdrucken einer Tabelle oder das Auswaschen eines Glases ist. DANN übernimmt das Gehirn diesen Wunsch in ein aktives Handlungsmuster.

Es ist wie beim „Kaufen-Button“ im Internet. Solange Du noch durch den Markt der Möglichkeiten scrollst und dies und das in den virtuellen Einkaufswagen legst, ist es noch nicht wirk-mächtig. Erst der Klick auf „Jetzt Kaufen“ macht aus dem Wollen eine Einkauf, aus der Möglichkeit eine Wirklichkeit.

Und dieser erste Schritt kann dann zu neuen, guten Gewohnheiten führen.

DIE MACHT DER GEWOHNHEITEN

Gewohnheiten sind mächtig. Wir kennen das alle von schlechten Gewohnheiten. Das Gute daran ist aber: Genauso wie uns die schlechten Gewohnheiten langsam uns schleichend zu bequemeren, langweiligeren, ungesünderen Versionen unserer Selbst machen, können gute Gewohnheiten uns langsam und schleichend zu einer besseren Version unserer Selbst werden lassen. Mit der Entwicklung guter Gewohnheiten können wir unser „Selbst“ aktiv gestalten. Wir entscheiden uns bewusst dafür jeden Tag etwas selbstbewusster, sportlicher, mutiger, engagierter, achtsamer, gelassener, gesünder oder gebildeter zu leben. Und mit jedem Tag nähern wir uns dieser Version unseres Selbst ein bisschen mehr an.

Dabei ist es wichtig, dass auch diese neuen Gewohnheiten so klein sind, dass sie gar nicht weh tun – keinen „Oh-Nö!“-Reflex im Gehirn auslösen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingt von einem gestressten „Ich-esse-wenn-Arbeit-und-Kinder-mir-Zeit-lassen!“ zu einer ausgewogenen Ernährung mit 5 Obst- und Gemüse-Einheiten pro Tag zu kommen, die wir gelassen und entspannt zu uns nehmen um dann noch eine flotte Runde um den Block zu laufen geht vermutlich gegen … nun ja … Null, oder?  

Also lasst uns überlegen, welche eine kleine Verbesserung wir tatsächlich leisten können:

  • Vielleicht könnten wir Nüsse neben der Schokolade parken und immer dann, wenn wir das Schokoladenfach aufmachen, zumindest EINE Nuss dazu essen. Später zwei. Und irgendwann Schoki zugunsten von Nüssen reduzieren oder gar aufgeben.
  • Wir könnten die Haferflocken in ein schönes Glas tun und in den Geschirrschrank zur Joghurt-Schüssel stellen – um daran zu denken den Joghurt zu ergänzen.
  • Wir könnten in unsere Einkaufs-App gesunde Lebensmittel einpflegen.
  • Wir entscheiden uns, immer wenn wir vor einem Therapeutenzimmer oder der Musikschule auf die Kinder warten in unserer Rezepte-App nach spannenden neuen Rezepten zu stöbern.  
  • Wir buchen einen Gemüse-Kiste oder Frische-Kiste bei einem Bring-Dienst, statt einkaufen zu gehen.

Wichtig ist, dass wir unsere neuen Gewohnheiten an etwas knüpfen, was sowieso geschieht, oder dass die neue Gewohnheit unserem Gehirn einfacher vorkommt als die alte Verhaltensweise:  Wir greifen eh nach der Schüssel für den Joghurt – und finden dann die Haferflocken. Wir warten eh vor der Logo-Tür – und erinnern uns dann, dass wir Rezepte stöbern wollten, wir entscheiden uns bequem von zu Hause die Frische-Box zu bestellen, statt die Schuhe anzuziehen, uns in den Wagen zu setzen und einkaufen zu gehen…

Unser Gehirn ist immer dann damit einverstanden eine neue Verhaltensweise zu etablieren, wenn der „Sowieso-Faktor“ greift und es keine zusätzliche Mühe macht, ODER wenn das neue Verhalten sogar attraktiver ist (vom Sofa die Frische-Kiste zu bestellen statt einkaufen zu gehen).  

WIE WERDEN AUS KLEINEN GEWOHNHEITEN ECHTE VERÄNDERUNGEN?

Sobald die erste Gewohnheit so natürlich geworden ist, dass sie automatisiert abläuft, könnt ihr den nächsten kleinen Schritt gehen. Und viele kleine Gewohnheiten summieren sich und ergänzen sich:

  • „Wenn ich schon Paprika vorschnipple, könnte ich eigentlich auch einmal die Woche ein Glas mit Zwiebeln und Knoblauch vorschnippeln. So habe ich immer eine Zwiebel-Knoblauch-Mischung zur Hand, wenn ich kochen will“.
  • „Wenn ich schon jeden Morgen ein Glas Wasser vor meinem Kaffee trinke, kann ich auch gleich meinem Kind noch eine Portion Wasser in die Flasche füllen oder einen Krug auf den Tisch stellen.“.
  • „Wenn ich schon ein tolles, gesundes Gericht koche, könnte ich auch gleich 2 Portionen mehr zubereiten und einfrieren.“ …

So ergibt eines das andere. Das Wichtigste aber ist das Gehirn auf die Veränderung zu programmieren. Und wie schon erwähnt: Das Gehirn reagiert nicht auf Möglichkeiten, sondern auf reale Änderungen. Auch auf Änderungen des Denkens. Der Satz „Ich möchte versuchen gesünder zu leben“ löst im Gehirn keinen Handlungsreiz aus. Ein „Ich werde mein Frühstück gesünder gestalten und fange an indem ich Haferflocken ergänze“ schon.

Der Satz „Ich versuche meine Kinder zu mehr Gemüse zu überreden“ ist für das Gehirn nicht wirklich ein Trigger, der eine Aktion auslöst. Der Gedanke: „Beim nächsten Einkauf besorge ich Picknick-Möhren, Snack-Tomaten und Mini-Gurken“ schon. Die Idee künftig vielfältiger einzukaufen wird auf dem „Friedhof der vergessenen Ideen“ landen – die  Entscheidung Blumenkohl auf die Einkaufsliste zu setzen nicht.

„Gesunde Ernährung ist mir wichtig!“ ist daher ein Wert, der -einmal verinnerlicht- unsere Kompassnadel immer wieder auf gute Entscheidungen in Bezug auf Ernährung ausrichtet. Und DAS löst langfristig eine dauerhafte, nachhaltige und sichtbare Veränderung aus.  

WIE AUTHENTISCH SIND DIESE ANREGUNGEN DENN?

Eine berechtigte Frage, die dem ein oder anderen kommen mag. Ich bin Life-Coach, Beraterin für Stressbewältigung und habe sehr viele Fortbildungen dazu gemacht wie persönliche Entwicklung funktioniert, eine Diplomarbeit über Identitätsentwicklung geschrieben und nachhaltige Techniken zum Erwerb von „Soft Skills“ kennengelernt.

Aber: Ich definitiv auch Plus-Size-Woman. Was berechtigt eine Frau meiner Gewichtsklasse dazu, über die Verbesserung von Ernährung zu sprechen? Es ist tatsächlich so, dass ich aufgrund verschiedenster Umstände – und da müssen wir ehrlich sein – ein Gewichtsproblem habe. Und damit auch sehr viel Erfahrung damit was NICHT funktioniert.

ABER: In den letzten Jahren habe ich meine Leistungskraft enorm erhöhen können. Ich bin fitter geworden. Heute habe ich – abgesehen von einer Stress-Migräne – kaum noch krankheitsbedingte Ausfälle. Es gelingt mir fast jeden Tag mein Walking-Pensum durchzuziehen – inzwischen sogar mit Lauf-Einheiten. Meine Ernährung ist vielfältiger geworden – und ich bin vitaler, gelassener und belastbarer als noch vor wenigen Jahren.  

All das ist durch genau diese kleinen Schritte passiert, die ich nach und nach in mein Leben geholt habe:

  • Es ging damit los, dass ich mit dem Schottisch Tanzen begonnen habe und jeden Montag zu meinem Kurs ging. Während der Pandemie „fehlte“ meinem Körper diese Bewegung am Montag. Ich hatte mich daran gewöhnt. Also habe ich mir Laufschuhe gekauft und bin regelmässig um den Block, später in den Wald, inzwischen auch größere Touren am Wochenende unterwegs. 
  • Dann wünschte ich mir eine Sport-Uhr zu Weihnachten, und steigere seitdem meine täglichen Schritt-Zahlen kontinuierlich.
  • Ich habe angefangen sehr, sehr viel Tiefkühlgemüse zu besorgen. Und da es ja nun da war, habe ich es auch verkocht, Aufläufe, Eintöpfe und Gemüsepfannen gezaubert.
  • Danach beschloss ich frisches Obst und Gemüse stets in größeren Mengen als eigentlich benötigt zu schnippeln und die Vorräte in meine Marmeladengläser zu verpacken, so dass ich viel öfter am Abend noch die Energie hatte einen bunten Salat oder eine Gemüsepfanne für mich allein zu zaubern statt rasch ein Käsebrot zu essen.
  • Und schließlich habe ich gesündere Öle in den Einkaufswagen gelegt und einen Teil der Schokolade durch Nüsse ersetzt.  

All diese kleinen Änderungen über Jahre zeigen Effekte: Mein Langzeit-Zucker-Wert hat sich stabilisiert, meine Leistungsfähigkeit verbessert und ohne dass „Abnehmen“ mein eigentliches Ziel gewesen wäre, sehe ich auch auf der Waage sehr, sehr langsam das Ergebnis.  Das Wichtigste aber: Ich fühle mich wohler und vitaler und kann trotz und mit meinem Gewicht ein aktives Leben führen.

Nebenbei hat sich auch die Ernährung meiner behinderten Tochter verbessert, die ja immer eine glutenfreie Alternative zum Familienessen benötigt: Weil ja inzwischen alles zur Hand und bequem geschnippelt ist, kann ich inzwischen in kürzester Zeit einen bunten Salat, eine Joghurt-Früchte-Bowl oder einen italienischen Haferflocken-Tomaten-Topf mit Zucchini und Paprika zusammenstellen.

Auch ich bin noch auf dem Weg. Aber eines kann ich jetzt schon sagen: Die großen Diäten, Umstellungen, Ziele haben bei mir immer nur eines gebracht: Frust und nach ersten Erfolgen einen Rückschlag.

Die kleinen positiven Veränderungen dagegen haben MICH verändert. Und meinen Körper. Der inzwischen nur noch selten nach Schokolade verlangt, vieles was ich früher mochte zu süß findet. Und ich finde das ist wirklich ein bisschen Magie: Wenn mein Wollen über kleine Schritte in zur Wirklichkeit wird und aus kleinen Entscheidungen eine Veränderung zum Positiven sichtbar wird.

Und deswegen bin ich ein Fan von Kaizen. Weil es funktioniert. Ich habe mit dieser Methode aus einem nebenberuflichen Coaching-Angebot ein gut laufendes Beratungs- und Schulungs-Angebot entwickelt. Eine tragfähige Beratungspraxis, die es mir ermöglicht meinen Wunsch Menschen zu begleiten und zu helfen täglich zu verwirklichen und damit meine Familie zu ernähren. Ich habe meine körperliche Kondition verbessert. Ich habe Stressbewältigungs-Techniken verinnerlicht, die es mir erlauben trotz eines extrem turbulenten und herausfordernden Lebens gesund zu bleiben und täglich Momente der Kraft und Energie zu erleben. Deswegen liebe ich diese Methode der kleinen Schritte. Sie funktioniert auch, wenn die Herausforderung scheinbar zu groß ist. Sie funktioniert auch, wenn man glaubt das Ziel niemals erreichen zu können. Denn diesen ersten kleinen Schritt – den KANN man schaffen. Und warum sollte man dann nicht auch den zweiten und dritten schaffen können? Es geht nicht ums Ziel. Es geht immer nur um den nächsten Schritt. Darum nicht stehen zu bleiben. Darum sich so zu verändern, dass man sich immer mehr dem Menschen nähert, der man sein möchte – und dabei gleichzeitig anzuerkennen wer man jetzt ist, wo man jetzt steht und sich liebevoll anzuerkennen. Um aus dieser Selbst-Wert-Schätzung und dem Bewusstsein, dass man in der Lage ist den ersten kleinen Schritt zu schaffen Kraft zu ziehen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen viel Spaß und Freude bei der Integration neuer, positiver Gewohnheiten in Euer Leben.

  • Ob es Ernährungsgewohnheiten sind, die ihr optimieren wollt …
  • Ob ihr Euer Stressmanagement verbessern möchtet …
  • Ob ihr lernen wollt, souveräner auf doofe Kommentare zu reagieren …
  • Ob es Euch wichtig ist Euren Kindern besser zuzuhören …
  • Ob ihr mehr Ordnung in Buchhaltung oder Ordner bekommen möchtet …

… immer gilt: „Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug – schafft man es die ganze Straße zu kehren und man ist nicht aus der Puste!“  Das würde zumindest Beppo Straßenkehrer aus Momo sagen. Und der muss es ja wissen!

Alles Gute!
Eure Marion


Quellen / Lese-Tipps:

Maurer, Robert: Kleine Schritte, die Ihr Leben verändern – Kaizen für die persönliche Entwicklung
Clear, James: Die 1%-Methode


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