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Eine Chance für das Down-Syndrom? Über die Einführung des Prena-Tests …

Eine Chance für das Down-Syndrom?

Über die Einführung des Prena-Tests …

Der Prena-Test als Kassenleistung  ist durch – was ich als „betroffene“ Mutter dazu denke wollen Journalisten, Freunde und andere Eltern wissen.

Ich bin dankbar. Dankbar für die Gelegenheit, die der Prena-Test uns gegeben hat über Dinge zu sprechen, die uns wichtig sind. Dank diesem Test sind Unmengen von Artikeln geschrieben worden. Wir haben gezeigt, dass Menschen mit Down-Syndrom „Farbe“ ins Leben bringen. Wir haben mit Postern, Blog-Artikeln und Videos Aufmerksamkeit generiert und jede renommierte Zeitschrift hat  sich mit dem Thema befasst. Fast jeder regionale Fernsehsender hat über das Leben mit Down Syndrom berichtet und sogar in der Tagesschau und in anderen wichtigen Sendungen kamen „Betroffene“ und „Experten“ zu Wort.

Erwachsene Menschen mit Down-Syndrom haben über ihr lebenswertes Leben gesprochen, Eltern von betroffenen Kindern darüber, dass sie ein glückliches, erfülltes Leben führen – dass ihr Kind mit Down-Syndrom sie bereichert.

Es wurde über Inklusion gesprochen, über ethische Grenzen und man kann wohl getrost behaupten, dass das alte Bild von „mongoloider Idiotie“ von einem Großteil der Bevölkerung überdacht werden musste.

Ich bin dankbar über diese riesige Chance, die uns hier geboten wurde, dieses Forum einiges an Vorurteilen und veralteten Vorstellungen über das Down-Syndrom zurecht zu rücken.

Ist der Prena-Test wirklich so gefährlich, wie die Community der „betroffenen“ Menschen und ihre Angehörigen fürchten? Oder hat er uns in Wahrheit einen unglaublichen Dienst erwiesen??

Betrachten wir einmal das „Vorher“ und „Nachher“:

Schon vor der Diskussion um den Test, haben Frauen, die kein behindertes Kind wollten die Fruchtwasser-Untersuchung gemacht. Dadurch wurden einerseits die Ungeborenen mit Down-Syndrom „aussortiert“, andererseits auch jedes andere Kind ohne Diagnose gefährdet. Jetzt werden zumindest die Leben der Kinder mit normalem Chromosomensatz gerettet. Und auch diese Leben sind zu berücksichtigen in der Bilanz.

Schon vor der Diskussion um den Test, haben Frauen, die ein Kind unabhängig von einer möglichen Behinderung annehmen würden weder Fruchtwasser-Untersuchung noch andere selektierende Diagnostik gemacht und ihr Kind angenommen, wie es kommt – diese Menschen wird es auch nach dem Test geben.

Was sich verändert hat und verändern wird ist die Situationen der „Unentschlossenen“. Die Situation derer, die sich vielleicht nicht getraut hätten ein behindertes Kind zu bekommen, wenn sie es wüssten, die aber mangels vorgeburtlicher Diagnostik eben ein behindertes Kind in die Arme gelegt bekommen haben.

Heute kann keiner mehr sagen, er hätte sich keine Gedanken gemacht. Selektierbare Behinderungen wie Down-Syndrom, Trisomie 13 und Trisomie 18 – aber auch offener Rücken, Herzfehler etc. ermöglichen heute eine bewusste Entscheidung für oder gegen das Kind – oder für ein bewusstes Nicht-Wissen-Wollen.

ABER: Die Diskussionen um den Prena-Test machen es auch unmöglich, die Stimmen derer zu hören, die über das lebenswerte Leben und die liebenswerte Seite von Menschen mit DS berichten. Während früher Down-Syndrom in verborgenen Schulen am Stadtrand verwahrt wurde, sehen wir heute Menschen mit Trisomie21 auf öffentlichen Plätzen Reden halten. Sie melden sich in Fernseh-Sendungen zu Wort und ihre Eltern schreiben seitenweise Blog-Artikel um absurde Horror-Vorstellungen zu relativieren, zeigen ihr Familienleben im Fernsehen und erzählen von ihren Hoffnungen für eine inklusive Gesellschaft.

Keine Schwangere kann heute noch mit dem Bild eines sabbernden Idioten in die Klinik fahren um eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Das Down-Syndrom in seiner modernen Erscheinungsform ist gesellschaftsfähiger geworden. Es hat Gesicht bekommen. Und eine Stimme.

Wer das heute noch ignorieren möchte – der kann es tun. Aber es wird ihm erheblich schwerer fallen.

Und das bedeutet, dass Schwangere nicht mehr im Schutz des Nicht-Wissens eine Abtreibung vornehmen lassen können. Menschen mit Down-Syndrom sind normale Menschen. Mit Hoffnungen, Träumen, Lebenswissen und Lebensfreude.

Ja – Menschen mit Down-Syndrom leben mit Einschränkungen. Aber sie leben gern und gut in unserer Zeit. Ja – Familien, die Kinder mit DS großziehen, leben anders. Aber sie leben ein fröhliches, reiches, manchmal mühsames, aber immer sinn-volles Familienleben.

Ich denke, das haben wir gezeigt. Ich denke, das hat die Diskussion um den Prena-Test gezeigt.

Wird der Prena-Test zu mehr Abtreibungen führen? Möglicherweise. Aber vielleicht – und das hoffe ich!- führt er auch zu mehr Mut. Mehr Inklusion. Mehr Offenheit. Vielleicht treiben Frauen, die künftig schwanger werden, seltener ab, WEIL wir diese Diskussion geführt haben, führen mussten.

Vielleicht haben einige Frauenärzte etwas mitgenommen aus dieser Diskussion und informieren sachlicher, wohlwollender und zeitgemäßer?

Am Ende denke ich, sollte die Frage nicht lauten, OB der Prena-Test eine Kassenleistung sein sollte. Das ist nicht so wichtig. Am Ende müssen wir uns die Frage stellen, ob Trisomie21 weiterhin als „unzumutbare Belastung“ für Eltern gelten kann. Ob es in Ordnung ist, Ungeborene wegen dieser Diagnose rechtlich schlechter zu stellen, als Ungeborene mit normalem Chromosomensatz.

Wenn in Deutschland jedes Kind nach der 12. Woche grundsätzlich ein Lebensrecht hat – können wir dann noch guten Gewissens Spät-Abtreibungen wegen einer Diagnose rechtfertigen, die schon den Prena-Test in Frage stellt? Können wir dann guten Gewissens Ungeborene aufgrund einer Einschränkung die weder Lebensfreude noch Lebenswillen bei den Betroffenenen schmälert anders behandeln als Föten mit normalem Chromosomensatz, deren Risiken für Drogenkonsum, Kriminalität oder Unglücklich-Sein viel höher liegen?

Wenn ich als „betroffene Mutter“ gefragt werde, dann brauche ich nicht politisch korrekt zu sein. Dann darf ich sagen: NEIN – ein Kind abzutreiben ist nicht richtig. Und ich bin dankbar für alle Kinder, die nicht mehr an der Diagnostik sterben – ob mit oder ohne Down-Syndrom. Aber nach dieser Diskussion erwarte ich eine neue Diskussion. Nämlich die, ob es noch zeitgemäß ist, dass Spätabtreibungen aufgrund von DS gestattet werden.

Was ich jetzt erwarte ist eine Verpflichtung zu zeitgemäßer, moderner Beratung. Was ich jetzt erwarte ist eine Umsetzung der Teilhabe-Rechte, die sich aus der Behindertenrechts-Konvention ergeben. Was ich jetzt erwarte ist echte Inklusion.

Wir hatten ein großes Forum und ein hohes Interesse durch die Einführung des Tests. Ich hoffe, dass es uns gelungen ist, einen gesellschaftlichen Wandel anzustoßen. Und dass es gelungen ist Ärzten, jungen Mädchen und künftigen Schwiegermüttern zu zeigen, dass ein Leben mit Down-Syndrom bunt, bereichernd und vielfältig ist …. Und kein Grund für einen unwiderruflichen Eingriff, der ein menschliches Leben beendet.

Ein Gedanke zu „Eine Chance für das Down-Syndrom? Über die Einführung des Prena-Tests …

  • Super, große Verbeugung.
    Dein Text ergänzt meinen Artikel und gehört sicher in die gleiche Schublade, insofern man Meinungen und Gedanken überhaupt sortieren und einordnen kann.
    Nun, es gibt sie noch, die Menschen mit Down Syndrom deren anblick einer Schwangeren sicher Angst einjagen.
    Ich habe am Donnerstag eine Frau mittleren Alters gesehen, die hätte mir Angst gemacht.
    Ich drehte mich zu meiner großen Tochter um, mit der ich unterwegs war, weil Jolina, das Kind mit Down Syndrom ganz inklusiv auf einer Geburtstags-Party im Kino war, nur mit Freunden ohne Extra.
    Ich sagte zu ihr: „Wenn ich später Jolina mal wie ein unmündiges Kleinkind an der Hand durch die Stadt ziehe, dann darfst du mir eine hinten rein treten.“
    Es ist an uns das Bild, das wir gerne in den Köpfen hätten jeden Tag zu vertreten, nicht nur auf „süßen“ Postern am 21.3. oder jetzt auf Demos in Berlin, der Alltag ist unsere front an der wir kämpfen müssen und ein paar verrückte wie ich und Du auch noch online im netz in unserer virtuellen Fußgängerzone.
    Danke für deinen Text
    Martina

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